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Reaktoren in Betrieb > Brokdorf (Schleswig-Holstein)

Druckwasserreaktor • Leistung: 1.480 MW • Typ: PWR • Hersteller: KWU •
Baubeginn: 1. Januar 1976 • Inbetriebnahme: 8. Oktober 1986 • [1][2] Abschaltung: 31. Dezember 2021[3]


Inbetriebnahme mit Polizeigewalt

KKW Brokdorf Dec-2008 SL271781

AKW Brokdorf

Der nur 10 km südlich von Glücksstadt (Schleswig-Holstein) direkt an der Elbe gelegene Druckwasserreaktor Brokdorf (KBR) mit einer Leistung von 1.480 MW ist seit 8. Oktober 1986 in Betrieb. Betreiber ist die E.ON Kernkraft, Eigentümer sind mit 80 % E.ON und mit 20 % Vattenfall.[1][4] Hersteller war die Kraftwerk Union (KWU).[2] In der Pannenstatistik des BfS wird Brokdorf mit 248 meldepflichtigen Ereignissen geführt (Stand: 23. April 2017).[5]

Nachdem 1972 Planungsarbeiten durchgeführt worden waren, begannen am 26. Oktober 1976 die zehnjährigen Bauarbeiten, die bis zur Inbetriebnahme 1986 von massiven und zum Teil gewaltsamen Protesten verzögert wurden. Eine Chronik lässt sich in einem Artikel des "NDR" nachlesen. → NDR: AKW Brokdorf: Chronik

Ein Beispiel für behördliche Willkür war, dass von 500 Protestierenden 21 herausgegriffen wurden, die die Zwangsräumung der Proteste vom 9. August 1977 bezahlen sollten: mit je 5384,14 Deutsche Mark.[6] Am 28. Februar 1981 folgte die bislang größte Anti-Atomkraft-Demonstration in Deutschland mit bis zu 100.000 Teilnehmern und 10.000 Polizisten. Auch großräumige Straßensperrungen konnten die Protestierenden nicht aufhalten.[7]

Willfährige Helfer des früheren Bundeskanzlers Helmut Kohls bei seinem Pro-Atomkurs waren Hamburgs Bürgermeister Klaus von Dohnanyi (SPD) und sein Innensenator Rolf Lange (ebenfalls SPD), die 600 Kernkraftgegner am 8. Juni 1986 bei einer Demonstration gegen das AKW Brokdorf einkesseln, schikanieren und aufs Übelste beschimpfen ließen (später "Hamburger Kessel" genannt).

"Rund sechs Stunden lang wurde allen Eingeschlossenen verwehrt, auf die Toilette zu gehen. (...) Eine Hamburger Kirchenvorständlerin wurde von einem Uniformierten angeherrscht: "Man sollte euch über der DDR aus einem Hubschrauber werfen", oder, so ein Kollege, "lieber gleich durchs Minenfeld jagen". Stundenlang gab es für die Eingekesselten nichts zu essen oder zu trinken. (...) Spätabends, als es kalt wurde, verhinderte die Polizei, daß den Demonstranten von Angehörigen und Sympathisanten Decken oder wärmende Kleidungsstücke übergeben wurden. (...) Auch ein Vater mit Kinderwagen wurde abgewiesen. Er suchte seine Frau, die das Baby stillen sollte. Kommentar eines Beamten: "Solches Gesocks setzt auch noch Kinder in die Welt." Sobald Bewegung im Kessel entstand und die vorderen Reihen gegen den Polizisten-Kordon gedrückt wurden setzte es Hiebe mit dem Schlagstock." Innensenator Lange erhielt danach politische Rückendeckung von Dohnanyi.[8] Später wurde der Polizeieinsatz gerichtlich für rechtswidrig erklärt.

Vorzeitige Stilllegung gefordert

Atomkraftgegner fordern aufgrund der hohen Störanfälligkeit und Gefährlichkeit eine sofortige Abschaltung des Atomkraftwerks, und nicht erst 2021.[9]

1988 berichtete der "Spiegel" über Schlampereien in Brokdorf. An allen vier Dieselmotoren, die im Notfall die Dampferzeuger mit Frischwasser zur Kühlung versorgen sollten, fehlten seit Betriebsbeginn im Oktober 1986 Schmiermittel und Dichtungen. Die Motoren hätten bei einem Unfall ausfallen und eine Kernschmelze verursachen können.[10]

2011 gab es zwei Pannen: Im Juli wurden Verformungen an Brennelementen festgestellt, und im August ein Defekt an einem Transformator entdeckt. Der Reaktor wurde am 7. August außerplanmäßig heruntergefahren und am 26. August wieder ans Netz genommen.[11] Vom 15. April bis 29. Mai 2012 blieb das AKW erneut wegen verschiedener defekter Teile vom Netz: Niederhaltefedern an Brennelementen im Lagerbecken, Federbrüchen an Brennelementen im Reaktorkern, Abstandshaltern und Hüllrohren. 56 der 193 Brennelemente mussten ersetzt werden.[12]

Am 23. August 2012 startete in deutschen Kinos die Filmdokumentation "Das Ding am Deich", in dem der jahrzehntelange Protest gegen das AKW Brokdorf dokumentiert wurde.[13]

Nach den EU-Stresstests plante der Betreiber im Oktober 2012 die Installation eines Erdbebenfrühwarnsystems.[14] Zugleich bereitete E.ON das AKW allmählich auf die Abschaltung im Jahre 2021 vor: "Zum Jahresende 2012 wurde das Besucherzentrum geschlossen. Und künftig wird am Standort Brokdorf der gesamte kaufmännische Bereich ausgelagert."[15]

Beim Wiederhochfahren am 27. Juli 2014 nach der Jahresrevision, bei der Brennelemente und Bauteile erneuert worden waren, gab es einen Zwischenfall. Da eine Hauptspeicherwasserpumpe wegen eines Bedienfehlers nicht rechtzeitig aktiviert wurde, waren alle vier Dampferzeugerfüllstände abgefallen, und es wurde eine Reaktorschnellabschaltung ausgelöst.[16]

Weitere Links

→ E.ON: Kernkraftwerk Brokdorf
Initiative Brokdorf-akut

Fernsehbeiträge

  • Risiko Atomkraft
    "Per Zufall gelingt es einem Kamerateam einen echten AKW-Störfall beim Energiegiganten E.ON "live" mitzuschneiden als für ein anderes Thema im Kontrollraum des AKW Brokdorf gedreht wurde." Quelle: YouTube
Informationspolitik_E.ON_Stoerfall_AKW_Brokdorf.mov

Informationspolitik E.ON Stoerfall AKW Brokdorf.mov

phoenix, 45 Min, hochgeladen auf YouTube am 16. März 2011

  • Atomkraft? Nein danke
    "In Brokdorf formierte sich 1976 erstmals breiter und vor allem gewaltsamer Protest gegen den Bau eines Atomkraftwerks. Bilder von Großdemonstrationen und bürgerkriegsähnlichen Schlachten am Bauzaun flimmerten durch die Wohnstuben. Trotz allem ging der Meiler 1986, als erstes AKW nach dem Unfall von Tschernobyl, ans Netz."[17]
Atomkraft_?_Nein_Danke_!_(1976)

Atomkraft ? Nein Danke ! (1976)

60 Jahre ARD, hochgeladen auf YouTube am 16. März 2011

(Letzte Änderung: 27.04.2017)

Einzelnachweise

  1. 1,0 1,1 IAEO: PRIS - Country Statistics/Germany abgerufen am 26. Mai 2014
  2. 2,0 2,1 IAEO: LES CENTRALES NUCLEAIRES DANS LE MONDE von 1997
  3. BfS: Laufzeiten deutscher Kernkraftwerke abgerufen am 16. Juni 2015 (via WayBack)
  4. E.ON: Kernkraftwerk Brokdorf abgerufen am 23. Juli 2014
  5. BfS: Kernkraftwerke in Deutschland: Meldepflichtige Ereignisse seit Inbetriebnahme abgerufen am 23. April 2017
  6. DER SPIEGEL 46/1977: Teure Demonstration vom 7. November 1977
  7. NDR: 1981: Großdemo gegen AKW Brokdorf vom 31. Mai 2011
  8. DER SPIEGEL 25/1986: Lieber gleich durchs Minenfeld jagen vom 16. Juni 1986
  9. contrAtom: AKW Brokdorf: Das Ding muss weg! vom 20. August 2012
  10. DER SPIEGEL 52/1988: Große Schlamperei Neuer Höhepunkt der Pannenserie in Atommeilern vom 26. Dezember 1988
  11. verivox.de: AKW Brokdorf darf nach Panne wieder ans Netz vom 26. August 2011
  12. FR Online: Kernkraftwerk Brokdorf wieder in Betrieb vom 29. Mai 2012 [Datum wird mittlerweile nicht mehr angezeigt]
  13. Spiegel Online: Anti-AKW-Doku "Das Ding am Deich" - Wo der Wutbürger auf die Welt kam vom 22. August 2012
  14. Hamburger Abendblatt: Einführung von Erdbeben-Frühwarnsystem geplant vom 4. Oktober 2012 [kostenpflichtig]
  15. shz.de: Kernkraftwerk bereitet Rückzug vor vom 28. März 2013
  16. IWR: AKW Brokdorf: Schnell-Abschaltung wegen Bedienungsfehler vom 29. September 2014
  17. NDR.de Brokdorf - Symbol der Anti-AKW-Bewegung abgerufen am 1. Juni 2014 (via WayBack)
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