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Die Energiewende > Ausbau der Stromnetze

Energietransport von Norden nach Süden

Schleswig-Holstein, Ostermoor, Nord-Ostsee-Kanal NIK 2746

Neubau einer Hochspannungsleitung

Ein großes Problem ist, dass in Deutschland der Ausbau der Infrastruktur mit der schnellen Entwicklung bei der Energiewende nicht Schritt hielt. Es fehlten vor allem Stromtrassen für den Energietransport von Norden nach Süden.[1]

Die potenzielle Energie aus den neuen Windparks konnte oft nicht genutzt werden. Diese mussten immer wieder abgeschaltet werden, weil es zu einer Überlastung der Netze kam. 2011 konnten wegen fehlender Netze 407 Gigawatt Strom aus Windparks nicht eingespeist werden. Damit hätten 116.000 Haushalte ein ganzes Jahr lang mit Strom versorgt werden können. Die Kosten für die Entschädigung, die an die Betreiber gezahlt werden, trug der Verbraucher.[2]

Zwar waren die Stromleitungen von 2001 bis 2011 bereits von 1,5 auf 1,8 Mio. Kilometer erweitert worden.[3] Und die Höchstspannungsleitungen besaßen 2012 eine Länge von 34.780 Kilometer.[4] Dennoch bestand laut BDEW vom Juni 2012 ein Bedarf von zusätzlichen 4.300 Kilometern, damit der Strom von Norden nach Süden fließen könne.[5]

Bis 2015 haben diese ursprünglichen Pläne eine bemerkungswerte Veränderung und Reduzierung erfahren (vgl. die folgenden Abschnitte).

Eine wichtige Rolle für die Weiterleitung und Speicherung des Stroms spielt auch der Ausbau der Stromnetze in Richtung Nordseestaaten, Polen, Tschechien und Österreich. → Energiespeicherung/Internationales Stromnetz

2012: Netzentwicklungsplan

Karte Höchstspannungsnetz Deutschland

Höchstspannungsnetz (Stand 2012)

Karte BBPlG-Vorhaben

Leitungsvorhaben nach dem Bundesbedarfplangesetz (BBPlG 2013)

Im Mai 2012 präsentierten die vier großen Übertragungsnetzbetreiber einen Netzentwicklungsplan für den Ausbau der Stromnetze. Daraus ging hervor, dass bis 2022 für 20 Mrd. Euro neue sogenannten "Stromautobahnen" mit einer Länge von 3.800 Kilometer errichtet und bestehende Hochspannungsleitungen mit 4.400 Kilometer optimiert werden müssten.[6]

Netzentwicklungsplan (NEP)

Im November 2012 wurden die Pläne für den Netzausbau von der Bundesnetzagentur verändert. Anstatt der ursprünglich geplanten 3.800 Kilometer sollten nun drei große Stromautobahnen mit lediglich 2.800 Kilometer Strom durch Deutschland transportieren. Beim Höchstspannungsnetz sollten 2.900 statt 4.400 Kilometer optimiert werden.[7] Die Maßnahmen wurden am 19. Dezember 2012 im Kabinett beschlossen. Darüber hinaus sollten Planung und Bau der Trassen von zehn auf vier Jahre verkürzt werden.[8]

Für das erweiterte Stromnetz soll die Hochspannungs-Gleichstrom-Übertragung (HGÜ) zum Tragen kommen, eine Technik, die als erheblich effizienter als die gängige Wechselstrom-Technik eingeschätzt wird. Im November 2012 wurde dafür ein "Not-Aus-Schalter für Gleichstrom-Leitungen" entwickelt, der Teilstrecken bei Störungen schnell vom Gesamtnetz trennen kann, was bislang nicht möglich war.[9]

2013: Zentralisierung des Netzausbaus

Am 21. März 2013 beschlossen Bund und Länder, die Planung für den Bau der Stromnetze zu zentralisieren und an die Bundesnetzagentur zu übertragen.[10]

Im April 2013 wurde im Bundestag ein neues Gesetz zum beschleunigten Ausbau der Stromnetze beschlossen. Einen Vorrang von Erdverkabelungen, den der Bundesrat gefordert hatte, lehnte der Bundestag ab.[11][12]

2014: Angst vor "Monstertrassen"

In den folgenden Jahren verstärkte sich der Widerstand betroffener Anwohner gegen neuen Stromleitungen, die als gigantische "Monstertrassen" bezeichnet wurden. Der Leiter der Bundesnetzagentur, Jochen Homann, widersprach im April 2014 dieser Darstellung. Es würden vielmehr normale Stromleitungen gebaut, die sich in Größe und Aussehen nicht wesentlich von bisherigen Höchstspannungsleitungen unterscheiden. Mit dem Bau der Stromleiten würde vermieden, dass in Süddeutschland Reservekapazitäten mehr aus dem benachbarten Ausland importiert oder teure konventionelle Kraftwerke hochgefahren werden müssten. Als Kosten für den Ausbau der Netze wurden für die nächsten zehn Jahre 16 Mrd. Euro geschätzt; für die Ökostromförderung werde jedes Jahr eine höhere Summe ausgegeben.[13]

Dass zwei Neubautrassen von Norden nach Süden nötig sind, um die Stromversorgung sicherzustellen, hatte auch Greenpeace im März 2014 bestätigt. Bei konsequentem Stromsparen, mehr dezentralen Wind- und Solaranlagen und flexiblen Gaskraftwerken könnten nach einer Studie von Energynautics jedoch knapp die Hälfte der derzeit europaweit geplanten Leitungen mit einer Länge von 50.000 Kilometer entfallen, auch die Süd-Ost-Passage von Sachsen-Anhalt nach Bayern. Laut Berechnungen des Thinktanks "Agora Energiewende" müssten in Deutschland, wenn konsequent Energie gespart würde, statt der geplanten 8.500 nur 1.750 Kilometer Neubautrassen errichtet werden.[14]

Die Forderungen des bayerischen Ministerpräsidenten Horst Seehofer nach einem Baustopp für neue Stromtrassen und einem energieautarken Bayern wies die Bundesregierung am 16. April 2014 zurück.[15]

2014/2015: Zwei "Stromautobahnen"

Am 30. Juli 2014 stellte Wirtschaftsminister Gabriel fest, dass die Südost-Gleichstromtrasse von Sachsen-Anhalt nach Bayern wegen des massiven Widerstands von Anwohnern nicht durchsetzbar sei und in der geplanten Form nicht gebaut werden könne. Die Stromleitung solle nun schon im Norden Deutschlands beginnen und dort in Schwachwindzeiten auch Wasserkraftstrom aus Norwegen und Schweden transportieren können. Sie solle zum Teil auch unterirdisch verlegt werden. Gabriel betonte jedoch, dass Stromtrassen unumgänglich seien: "Andernfalls drohe in Teilen Deutschland langfristig ein Stromengpass mit unterschiedlichen Strompreiszonen."[16]

2015 kam es zu einer Einigung zwischen Bundeskanzlerin Angela Merkel, Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel und dem bayerischen Ministerpräsidenten Horst Seehofer. Am 2. Juli 2015 wurde entschieden, die beiden großen Nord-Süd-Stromleitungen zwar beizubehalten, der Erdverkabelung und dem Ausbau bestehender Trassen jedoch Vorrang zu geben.[17]

Die beiden Stromautobahnen sollen wie folgt verlaufen: "Suedlink" soll Windstrom aus Schleswig-Holstein ins bayerische Grafenrheinfeld und Großgartach bei Heilbronn nahe des Atomkraftwerks Neckarwestheim II transportieren. Auf diese Weise könne man die bestehende Verteilerstruktur auch nach Schließung der AKW weiternutzen. "Südost-Link" soll von Sachsen-Anhalt über Thüringen nach Gundremmingen oder zum Netzknoten Isar bei Landshut führen.[18]

2016: Vorschläge zu den Korridoren

Am 27. September 2016 legten die Stromnetzbetreiber Tennet, TransnetBW und 50Hertz Vorschläge zum Verlauf der SuedLink- und SuedOstLink-Trassen vor. Diese sollten von der Bundesnetzagentur geprüft, und die Bürger beteiligt werden. Die Trassen sollten vorwiegend unter der Erde verlegt werden, was drei bis acht Mrd. Euro Zusatzkosten verursachen sollte, die allerdings auf 30 Jahre verteilt würden. Die Kosten würden von privaten Kunden und der Industrie über höhere Netzentgelte finanziert. SuedLink sollte nicht vor 2025 zur Verfügung stehen, also Jahre, nachdem das letzte Atomkraftwerk vom Netz gegangen sein wird.[19]

2017: "Thüringer Strombrücke" eröffnet

Am 14. September 2017 wurde die als "Thüringer Strombrücke" bezeichnete Höchstspannungsleitung von Sachsen-Anhalt über Thüringen nach Bayern eröffnet. Sie kann 5.000 MW transportieren, beginnt in Bad Lauchstädt bei Halle, endet in Redwitz in Oberfranken und soll den Transport von Windenergie aus dem Nordosten nach Bayern erleichtern. Bislang hatte es nur eine Höchstspannungsleitung zwischen Remptendorf in Thüringen und Redwitz gegeben.[20][21]

Ergänzung: Freileitungen Ende 1981

Ende 1981 durchzogen nach einem Artikel des "Spiegel" Freileitungen mit einer Länge von 490.632 Kilometern die Bundesrepublik Deutschland. Grundlage für den Ausbau war das Energiewirtschaftsgesetz von 1935 (!). "Danach dienen Baumaßnahmen von Energieunternehmen grundsätzlich dem "Interesse des Gemeinwohls" und sind weitgehend von Genehmigungsverfahren freigestellt." Schon damals wurden dezentrale Stromtrassen und Erdverkabelung vorgeschlagen, aber von der Politik abgelehnt.[22]

Weitere Links

→ Deutscher Bundestag: Unterrichtung durch die Bundesregierung - Zweiter Monitoring-Bericht „Energie der Zukunft“ vom 9. April 2014
→ Deutscher Bundestag: Kleine Anfrage "Fragen zur energiewirtschaftlichen Notwendigkeit des Hochspannungs-Gleichstrom-Übertragungs-Korridors D" vom 13. März 2014

Fernsehbeiträge

  • Streit um die Energiewende in Deutschland
    "Von Norddeutschland nach Bayern müssen hunderte Kilometer lange Stromautobahnen quer durch Deutschland gebaut werden. Während die Norddeutschen kaum etwas gegen die riesigen Strommasten einzuwenden haben, gibt es gegen diese in der Mitte der Republik und im Süden viel Widerstand."[23]
Deutschland_Streit_um_die_Energiewende_Journal_Reporter

Deutschland Streit um die Energiewende Journal Reporter

DW, Journal Reporter vom 25. Oktober 2014

  • Die Lüge vom Netzausbau - Stromtrassen für die Kohlewirtschaft?
    "Revolution in der Oberpfalz. In Bayern tobt der Volkszorn gegen die Stromautobahn durch die Dörfer. (...) Über 1.500 Kilometer Stromleitungen sollen in Deutschland gebaut werden."[24]
20.02.2014_Monitor_Die_Lüge_vom_Netzausbau_-_Stromtrassen_für_die_Kohlewirtschaft?

20.02.2014 Monitor Die Lüge vom Netzausbau - Stromtrassen für die Kohlewirtschaft?

ARD, Monitor vom 20. Februar 2014

  • Energiewende - Die XXL-Stromleitung
    Lorenz Jarass, Prof. für Wirtschaftswissenschaften: "Diese Leitungen sind nicht für die Windenergie erforderlich, sondern für den Weiterbetrieb der Kohlekraftwerke. (...) Diese neuen Leitungen gefährden aufs höchste die Energiewende."

    Netzagentur-Chef Jochen Homann widerspricht der Darstellung, dass eine Vielzahl der Stromleitungen nur für den Transport von Kohlestrom gebaut wird.[13]
Energiewende_Die_XXL_Stromleitung_Projekt_SuedLink_Prof_Jarass

Energiewende Die XXL Stromleitung Projekt SuedLink Prof Jarass

3sat, nano vom 6. Februar 2014

  • Teuer und überdimensioniert - Wer profitiert vom Netzausbau?
    "Jetzt liegt der Plan auf dem Tisch: Für die Energiewende sollen in den kommenden Jahren 2.800 Kilometer neue Stromtrassen durch Deutschland gebaut werden, Kosten: 10 bis 20 Milliarden Euro. (...) Kritiker bemängeln, der Netzausbau sei überdimensioniert - und nicht nur für Windstrom, sondern auch für klimaschädliche Braunkohle-Kraftwerke gedacht. (...) Teurer Netzausbau für bessere Renditen alter Kohlekraftwerke von RWE und Vattenfall?"[25]
Die_Energiewende_und_der_überdimensionierte_Netzausbau_Frontal21_11_12_2012_die_Bananenrepublik

Die Energiewende und der überdimensionierte Netzausbau Frontal21 11 12 2012 die Bananenrepublik

ZDF, frontal21 vom 11. Dezember 2012 (Video nicht mehr verfügbar)

  • Nach der Atomwende - Streit um Stromleitungen
    "Die Energiewende soll kommen - weg vom Atomstrom, hin zu Erneuerbaren Energien. Dafür müssen Stromnetze ausgebaut werden. Doch der Ausbau stockt, klagt die Regierung. Schuld seien Bürgerproteste allerorten."[26]

    Windenergiebetreiber lassen in Eigenregie Erdkabel verlegen und neue Umspannwerke errichten - mit Zustimmung der Anrainer.
Nach_Atomwende-_Streit_um_Stromleitungen_-_Frontal21_-_12.04.2011

Nach Atomwende- Streit um Stromleitungen - Frontal21 - 12.04.2011

ZDF, frontal21 vom 12. April 2011 (Video nicht mehr verfügbar)

(Letzte Änderung: 29.01.2024)

Einzelnachweise

  1. bundesregierung.de: Grünes Licht für Ausbau der Stromnetze vom September 2011 (via WayBack)
  2. Welt Online: 407 Gigawattstunden Strom lösen sich in Luft auf vom 28. November 2012
  3. BDEW: Netzlängen der Energieversorger abgerufen am 14. April 2014 (via WayBack)
  4. Bundestag: Höchstspannungsnetz ist 34.780 km lang vom 26. Mai 2014 (via WayBack)
  5. BDEW: Energiemarkt Deutschland - Zahlen und Fakten zur Gas-, Strom- und Fernwärmeversorgung (S.31) vom Juni 2012
  6. Spiegel Online: Wo Stromautobahnen Deutschland vernetzen sollen vom 30. Mai 2012
  7. Focus Online: Netzagentur legt Pläne für drei Stromautobahnen vor vom 26. November 2012 (via WayBack)
  8. Spiegel Online: Gebäudesanierung - Regierung verspricht Hausbesitzern 5000 Euro vom 19. Dezember 2012
  9. Wirtschaftswoche: ABB entwickelt ersten Not-Aus-Schalter für Gleichstrom-Leitungen vom 3. November 2012
  10. FAZ.net: Bund koordiniert den Netzausbau vom 21. März 2013
  11. Handelsblatt: Bundestag beschließt schnelleren Netzausbau vom 25. April 2013 (via WayBack)
  12. Deutscher Bundestag: Netzbetreiber begrüßen Ausbau der Stromnetze vom 15. April 2013 (via WayBack)
  13. 13,0 13,1 Zeit Online: "Es gibt keine Monstertrassen" vom 3. April 2014
  14. FR Online: Ruf nach weniger Stromtrassen vom 22. März 2014 (via WayBack)
  15. Süddeutsche.de: Bundesregierung im Trassenkampf gegen Seehofer vom 15. April 2014
  16. Spiegel Online: Energiewende: Gabriel rückt von Planung für Südost-Stromtrasse ab vom 30. Juli 2014
  17. tagesschau.de: Energiegipfel im Kanzleramt - Koalition einig bei Kohle und Netzausbau vom 2. Juli 2015 (via WayBack)
  18. Südwest Presse: Seehofer stimmt zwei Stromautobahnen zu vom 3. Juli 2015 (via WayBack)
  19. faz.net: So sollen die Nord-Süd-Stromtrassen verlaufen vom 27. September 2016
  20. Augsburger Allgemeine: Neue Stromtrasse geht in Betrieb vom 14. September 2017
  21. Deutsche MittelstandsNachrichten: Zweite Stromautobahn verbindet Ostdeutschland und Bayern vom 15. September 2017 (via WayBack)
  22. DER SPIEGEL 46/1982: Für die Eiszeit vom 14. November 1982
  23. dw.de: Journal Reporter - Streit um die Energiewende in Deutschland vom 25. Oktober 2014
  24. wdr.de: Die Lüge vom Netzausbau - Stromtrassen für die Kohlewirtschaft? vom 20. Februar 2014 (via Wayback)
  25. frontal21: Teuer und überdimensioniert - Wer profitiert vom Netzausbau? vom 11. Dezember 2012 (via Wayback)
  26. zdf.de: Nach der Atomwende Streit um Stromleitungen vom 12. April 2011 [Seite nicht mehr verfügbar]
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