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Atommüll - Zwischen- und Endlagerung > Morsleben

Zweifel schon in der ehemaligen DDR

Morsleben Schacht

Schacht Morsleben

Das Endlager Morsleben befindet sich in Sachsen-Anhalt unweit der niedersächsischen Grenze östlich von Helmstedt. Dort werden fast 37.000 Kubikmeter schwach- und mittelradioaktive Abfälle endgelagert. Es ist "das erste deutsche Endlager, das nach Atomrecht und unter Verbleib der Abfälle stillgelegt werden soll." Dies ist Aufgabe der Bundesgesellschaft für Endlagerung (BGE),[1] die 2017 die Verantwortung für Morsleben vom Bundesamt für Strahlenschutz (BfS) übernommen hat.[2] Die atomrechtliche Aufsicht über Morsleben übt das Bundesamt für die Sicherheit der nuklearen Entsorgung (BASE) aus.

Das Endlager hat seinen Ursprung in der ehemaligen DDR. Anfangs wurde der dort angefallene Atommüll wie in allen anderen Ländern des Rats für gegenseitige Wirtschaftshilfe (RGW) zur weiteren Verarbeitung und Entsorgung in die Sowjetunion transportiert.[3] Nach einer Eignungsprüfung von 10 Salzbergwerken entschied man sich 1970, das Salzbergwerk Bartensleben in Morsleben zum zentralen Zwischenlager auszubauen. Nach einer befristeten Betriebsgenehmigung von 1981 wurde 1986 eine "unbefristete Dauerbetriebsgenehmigung" für schwach- und mittelradioaktiven Atommüll erteilt.[4]

Schon in der DDR hatte es von Anfang an Zweifel an der Eignung des Salzbergwerkes gegeben: ""Die Grube ist einer großen hydrologischen Gefährdung ausgesetzt", warnte das Deutsche Brennstoffinstitut im sächsischen Freiberg bereits 1969. Zwei Jahre später stellten die DDR-Gutachter fest: "Der zentrale Teil der Grube lässt wahrscheinlich keine ausreichende Standsicherheit erwarten." Die DDR-Behörden ließen sich durch die Einwände der Experten nie beirren."[5]

Atompolitik in der ehemaligen DDR

Gefälligkeitsgutachten und Weiterbetrieb unter Merkel

Die Bundesregierung verhielt sich genauso wenig verantwortungsbewusst. Nach dem Untergang der DDR 1990 wurde die Lagerung zwar kurzzeitig unterbrochen. 1994 jedoch wurde auf persönliche Weisung von Angela Merkel – allen Warnungen von Wissenschaftlern und Protesten des Umweltministeriums von Sachsen-Anhalt wegen der Einsturzgefährdung zum Trotz – das Endlager wieder in Betrieb genommen. Merkel ließ zur Beruhigung Gefälligkeitsgutachten erstellen und berief sich auf die Betriebsgenehmigung durch die DDR: "Im Westen der Republik gab es damals kein Endlager, und so stapelte sich der schwach- und mittelaktive Problemmüll in den Atommeilern. Morsleben schien die Rettung zu sein. Die schwarz-gelbe Koalition hatte schon bei der Wiedervereinigung mit der DDR vorgesorgt. Trickreich wurde juristisch festgelegt, die alte DDR-Betriebsgenehmigung für Morsleben von 1986 zu übernehmen, befristet auf zehn Jahre. (...) Morsleben sollte so lange wie möglich auf Grundlage des alten DDR-Rechts offengehalten werden, bevor das strengere Atomrecht der Bundesrepublik zum Zuge kommen konnte."[5] Beteiligt an der Durchsetzung des Weiterbetriebs von Morsleben war auch der Atomlobbyist Gerald Hennenhöfer.[6]

1998 wurde die Einlagerung aufgrund einer Klage des BUND und von Greenpeace gerichtlich gestoppt. Die neue rot-grüne Regierung vollstreckte den Gerichtsbeschluss, und es wurde unmittelbar danach mit Sicherungsarbeiten begonnen. Die Kosten für die Sicherung schätzt man auf 2,2 Mrd. Euro.[5] Das Bundesamt für Strahlenschutz (BfS), bis 2017 Betreiber des ehemaligen Endlagers, nahm seit 2001 unwiderruflich keinen Atommüll mehr an, da dies "sicherheitstechnisch nicht mehr vertretbar ist".[4]

Stilllegungskonzept: Verfüllung und Abschluss

Laut Bundesamt für Strahlenschutz wurden in Morsleben 36.754 Kubikmeter schwach- und mittelradioaktive Abfälle, darunter 6.621 umschlossene Strahlenquellen eingelagert. "Von 1971 bis 1991 wurden radioaktive Abfälle mit einer Gesamtaktivität von 180.000 Gigabecquerel und von 1994 bis 1998 Abfälle mit einer Gesamtaktivität von 91.000 Gigabecquerel endgelagert. Auf Grund des radioaktiven Zerfalls nimmt die Aktivität der Abfälle mit der Zeit ab. Zum Ende des Jahres 2014 betrug die Gesamtaktivität aller in Morsleben endgelagerten Abfälle noch rund 93.000 Gigabecquerel."[7]

Vom Oktober 2003 bis Februar 2011 wurden zur Stabilisierung des einsturzgefährdeten Endlagers 27 ausgewählte Hohlräume, in denen sich keine radioaktiven Abfälle befanden, mit 935.000 Kubikmeter Salzbeton verfüllt, wofür 163 Millionen Euro investiert wurden. "Ohne diese Verfüllmaßnahmen wäre ein zukünftiges Versagen von tragenden Elementen im Zentralteil nicht auszuschließen gewesen. Herunterbrechendes Salzgestein hätte den Weg zu den Einlagerungskammern versperren und die Beschäftigten gefährden können."[8]

1992 beantragte das Bundesamt für Strahlenschutz die Stilllegung der Anlage beim Umweltministerium des Landes Sachsen-Anhalt (MLU). Nach dem öffentlichen Erörterungstermin 2011 prüfte das MLU 15.000 Einwendungen von Bürgern und Organisationen und wollte anschließend einen Planfeststellungsbeschluss erarbeiten.[9]

Die Frage der Rückholbarkeit von Atommüll wurde kontrovers diskutiert. Eigentlich bevorzugte das Bundesamt für Strahlenschutz eine rückholbare Lagerung.[10]

In diesem Fall sah das Stilllegungskonzept des BfS jedoch vor, die Stollen nach einer Umrüstung mit vier Mio. Kubikmetern Salzbeton aufzufüllen und zu verschließen.[11] "Der langzeitsichere Abschluss der radioaktiven Abfälle von der Biosphäre soll mit dem Konzept der weitgehenden Verfüllung des Bergwerks und der Abdichtungen im Umfeld der Einlagerungsbereiche West-Südfeld und Ostfeld erreicht werden. Dazu sollen zirka 75 Prozent der Hohlräume verfüllt, 22 Abdichtungen errichtet und die Schächte Bartensleben und Marie abgedichtet und verfüllt werden. (...) Mit der weitgehenden Verfüllung werden das Grubengebäude mechanisch stabilisiert und die Hohlräume reduziert, sodass sich keine Risse im umgebenden Gestein und im Deckgebirge bilden können. Gleichzeitig sollen so Fließwege im Grubengebäude minimiert werden."[12]

Das BfS wollte auf diese Weise den Atommüll für immer wegschließen und war davon überzeugt, dass für Morsleben ein Langzeitsicherheitsnachweis erbracht werden könne. Eine Million Jahre lang soll keine Radioaktivität austreten, was Umweltschützer in Zweifel zogen.[13] Sie kritisierten die Verfüllung, weil es danach keine Möglichkeit mehr gibt, die Abfälle zu bergen und Radionuklide in die Biosphäre gelangen könnten.[14]

Mit einer Genehmigung für die Stilllegung wurde 2014 bis 2015 gerechnet, die Verfüllung sollte 15 bis 20 Jahre dauern.[15] Im Juli 2014 wurde gemeldet, dass sich die Stilllegung weiter verzögert, da immer noch kein Nachweis für die Langzeitsicherheit erbracht worden sei.[16]

Das BGE bereitet die Stilllegung vor; die Genehmigung dafür ist allerdings bis heute nicht erteilt worden (Stand: Juli 2023). [1]

Videobeiträge

  • Live-360°-Rundgang- Die Stilllegung des Endlagers Morsleben
    "Das oberste Ziel der Stilllegung ist es, Mensch und Umwelt vor den eingelagerten Abfällen zu schützen. Nur wenn die BGE nachweisen kann, dass die langzeitsichere Stilllegung des Endlagers Morsleben möglich ist, erhält sie die atomrechtliche Genehmigung, um die Stilllegung auszuführen. Das Verfahren um den Stilllegungsantrag läuft bereits. Die BGE beschreibt dazu in allen Einzelheiten die geplanten Maßnahmen im sogenannten "Plan Stilllegung". Vor allem die Langzeitsicherheit spielt dabei eine wesentliche Rolle." Quelle: YouTube
Live-360°-Rundgang-_Die_Stilllegung_des_Endlagers_Morsleben

Live-360°-Rundgang- Die Stilllegung des Endlagers Morsleben

Bundesgesellschaft für Endlagerung vom 17. September 2020

  • Die Lüge vom billigen Atomstrom
    "Atomstrom sei billig, behaupten die Befürworter von Atomstrom - und lassen dabei milliardenschwere Nebenkosten unberücksichtigt. Die werden auf die Allgemeinheit abgewälzt. Zum Beispiel beim Endlager für radioaktive Abfälle Morsleben (ERAM) in Sachsen-Anhalt. Die Kosten für den Gesamtverschluss des ehemaligen Salzbergwerks betragen nach Angaben des Bundesamtes für Strahlenschutz (BfS) mindestens 2,2 Milliarden Euro. Diese Ausgaben übernimmt der Staat." Quelle: Video
Die_Lüge_vom_billigen_Atomstrom_29.07.08

Die Lüge vom billigen Atomstrom 29.07.08

ZDF FRONTAL21 vom 29. Juli 2008

Weitere Links

→ BMUV: Endlager für radioaktive Abfälle Morsleben (ERAM)
→ Bundesamt für Strahlenschutz: Stilllegung des Endlagers Morsleben (via WayBack)
→ Deutscher Bundestag: Entscheidungshistorie der Atommüll-Einlagerung ins Endlager Morsleben in den 1990er Jahren (Drucksache 16/14070) vom 21. September 2009

(Letzte Änderung: 09.07.2023)

Einzelnachweise

  1. 1,0 1,1 BGE: Endlager Morsleben abgerufen am 8. Juli 2023
  2. BGE: Geschichte des Endlagers Morsleben abgerufen am 8. Juli 2023
  3. Friedrich-Ebert-Stiftung (Hrsg.): Die Energiepolitik der DDR - Mängelverwaltung zwischen Kernkraft und Braunkohle, Verlag Neue Gesellschaft GmbH, Bonn, 1988. → online auf epub.ub.uni-muenchen.de (S.42)
  4. 4,0 4,1 Bundesamt für Strahlenschutz: Geschichte des Endlagers Morsleben abgerufen am 4. Juli 2015 (via WayBack)
  5. 5,0 5,1 5,2 DER SPIEGEL 43/2008: Merkels Altlast vom 19. Oktober 2008
  6. taz.de: Atom-Lobbyist wird Chef der Abteilung für Reaktorsicherheit - Röttgen bekennt Farbe (Kommentar) vom 2. Dezember 2009
  7. BfS: Endgelagerte radioaktive Abfälle abgerufen am 4. Juli 2015 (via WayBack)
  8. BfS: Stabilisierung des Endlagers abgerufen am 10. Oktober 2015 (via WayBack)
  9. BfS: Stilllegung des Endlagers für radioaktive Abfälle Morsleben (ERAM) - Die Beteiligung der Öffentlichkeit abgerufen am 4. Juli 2015 (via WayBack)
  10. FTD.de: Atomausstieg: Schwarz-gelbe Endlagersuche vom 31. Mai 2011 (via WayBack)
  11. bmu.de: Endlager für radioaktive Abfälle Morsleben (ERAM) vom Juli 2011 (via Wayback)
  12. BfS: So soll das Endlager Morsleben stillgelegt werden abgerufen am vom 14. Januar 2015 (via WayBack)
  13. Focus Online: Jenseits von Gorleben: Endlager Morsleben vom 25. November 2011 [Datum nachträglich von Focus geändert]
  14. bewegung.taz: Endlager Morsleben stabilisiert – massive Kritik am Stilllegungskonzept vom 12. Mai 2011 (via WayBack)
  15. Volksstimme: Morsleben erst nach 2030 dicht vom 26. April 2012
  16. Focus Online: Stilllegung des Atommülllagers Morsleben verzögert sich weiter vom 16. Juli 2014
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