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Ziele von EURATOM

Bundesarchiv Bild 183-45653-0001, Rom, Verträge über Zollpakt und Eurotom unterzeichnet

25. März 1957, Unterzeichnung der Verträge über Zollpakt und Eurotom

EURATOM (auch Eurotom genannt) ist eine europäische Gemeinschaft, die 1957 infolge der Genfer UNO-Konferenz von 1955 gegründet wurde.

Grundlage von EURATOM ist der "Vertrag zur Gründung der Europäischen Atomgemeinschaft (EAG-Vertrag)", der die europäische Zusammenarbeit mit dem Ziel regelt, die Entwicklung der Atomenergie zu fördern und "Kernindustrien" zu bilden. In der Präambel wird erklärt:

"IN DEM BEWUSSTSEIN, dass die Kernenergie eine unentbehrliche Hilfsquelle für die Entwicklung und Belebung der Wirtschaft und für den friedlichen Fortschritt darstellt, (...) ENTSCHLOSSEN, die Voraussetzungen für die Entwicklung einer mächtigen Kernindustrie zu schaffen, welche die Energieerzeugung erweitert, die Technik modernisiert und auf zahlreichen anderen Gebieten zum Wohlstand ihrer Völker beiträgt, (...) HABEN BESCHLOSSEN, eine EUROPÄISCHE ATOMGEMEINSCHAFT (EURATOM) zu gründen (...)."[1]

Euratom-Mitglieder

EURATOM-Mitgliedstaaten 2013

Alle Staaten, die der Europäischen Union beitreten, gehören automatisch auch EURATOM an.

Das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit schrieb mit Datum März 2015 auf seiner Homepage: "Der EAG-Vertrag gehört zu den Römischen Verträgen aus dem Jahr 1957. Die Europäische Atomgemeinschaft teilt sich mit der Europäischen Union sämtliche Organe, ist jedoch eine eigenständige Organisation." Das Europäische Parlament hat keine Entscheidungsbefugnis, es darf nur seine Meinung äußern und Fragen stellen.[2]

Anfang 2014 gab es Überlegungen der EU-Kommission, den EURATOM-Vertrag zu reformieren. Es wurde darüber nachgedacht, das Ziel, eine "mächtige Kernindustrie" zu schaffen, an die politische Realität anzupassen.[3] Bislang sind aber noch keine konkreten Schritte erfolgt.

→ BMU: Europäische Atomgemeinschaft (Euratom) (via WayBack)
→ Europäische Union: Vertrag zur Gründung der Europäischen Atomgemeinschaft (Euratom)
→ BfS: Europäische Zusammenarbeit für die Sicherheit in der Kerntechnik (Volltext, via WayBack)

EURATOM widerspricht dem Atomausstieg

In seinen Zielen und seiner ganzen Ausrichtung – der Förderung und Entwicklung der Atomenergie – widerspricht EURATOM dem Atomausstieg in Deutschland und anderen europäischen Staaten.

EURATOM treibt beispielsweise über das Programm "Euratom Fission" die Atomenergie-Forschung im Bereich der G4-Reaktoren voran, finanziert durch EU-Fördergelder.[4]

Der EURATOM-Vertrag trägt dazu bei, dass über die Stadtgebiete von Bremen und Hamburg trotz des Atomausstiegs nach wie vor eine Vielzahl von Atomtransporten laufen. Er sieht nämlich vor, "dass Mitgliedstaaten untereinander alle mengenmäßigen Beschränkungen der Ein- und Ausfuhr beseitigen". Die EU prüfte 2013, ob eine Verbotsklausel gegen einen Teil der radioaktiven Transporte, die in das Bremische Hafenbetriebsgesetz aufgenommen wurde, dem EURATOM-Vertrag widerspricht.[5]

Man muss sich fragen, wie konsequent es ist, wenn die Bundesregierung einerseits den Atomausstieg einleitet, andererseits aber EURATOM-Mitglied bleibt und dessen Rahmenprogramme zur Förderung der Atomenergie finanziell unterstützt.

Von Atomkraftgegnern wird der EURATOM-Vertrag als nicht mehr zeitgemäß bezeichnet und dessen Abschaffung gefordert.[6][7] EURATOM begründe bislang eine Sonderstellung der Atomenergie und sichere "alte Privilegien und Subventionen". Stattdessen müsse der Vertrag zu einem "Instrument für atomare Sicherheit und den Rückbau der atomaren Altlasten" weiterentwickelt werden.[8]

Anleihen für den Bau von AKW und Förderung von Atomforschung

Durch EURATOM wurden seit 1977 der Neubau von Atomkraftwerken und die Atomforschung subventioniert.

Im März 1977 beschloss die Europäische Gemeinschaft im Rahmen des EURATOM-Vertrags die Aufnahme einer Eurotom-Anleihe in Höhe von 500 Mio. RE [Europäische Rechnungseinheiten] zur Finanzierung von Atomkraftwerken.[9] Die Europäische Kommission wünschte eine Ausweitung dieser Darlehensvergabe für Investitionen im Energiesektor.[10]

Die EURATOM-Anleihe wurde 1979 auf 1 Mrd. ECU und 1982 auf 2 Mrd. ECU erhöht; 1985 wurde durch die EG-Kommission eine weitere Erhöhung um 1 Mrd. ECU beschlossen.[11]

Die Europäische Kommission war bereits 1977 zur Aufnahme der Anleihen durch EURATOM ermächtigt worden. 1994 wurde dieser Beschluss auch auf osteuropäische Staaten ausgeweitet, die zuvor der GUS (Gemeinschaft unabhängiger Staaten angehört hatten.[12]

EURATOM förderte in den Jahren 2012/2013 die Forschung an der Atomspaltung mit 118 Mio. Euro und die Kernfusionsforschung (Schwerpunkt ITER) mit über 2,2 Mrd. Euro .[13] Zusätzlich 233 Mio. Euro wurden für die "Nuklearforschungsarbeiten und die Arbeiten zur Gewährleistung der kerntechnischen Sicherheit der Gemeinsamen Forschungsstelle der Kommission (JRC)" bereitgestellt.[14]

Die deutsche Forschung zur Atomspaltung förderten EU und EURATOM 2012 mit 8,906 Mio. Euro, die zur Kernfusion mit 18,820 Mio. Euro[15]

EURATOM verhindert europäische Bürgerinitiative

EURATOM wurde aufgrund seiner Ziele bewusst als Instrument zur Behinderung des Atomausstiegs benutzt. Am 1. Juni 2012 hat die EU-Kommission unter Günther Oettinger die europäische Bürgerinitiative "Meine Stimme gegen Atomkraft" abgelehnt. Begründet wurde das damit, dass der EURATOM-Vertrag zur Förderung der Kernenergie eine Bürgerinitiative gegen die Atomkraft verbietet. Der BUND bezeichnete dieses Vorgehen als "Affront gegen die europäische Umweltbewegung" und kündigte rechtliche Schritte an.[16]

Bundestag lehnt Kündigung oder Änderungen ab

Im Februar 2011 wurde eine Petition an den Bundestag gestellt, in der ein Ausstieg Deutschlands aus dem EURATOM-Vertrag gefordert wurde. In der Begründung hieß es u. a., dass der Vertrag die Atomenergie einseitig und dauerhaft auf Kosten einer nachhaltigen Energiewirtschaft die Atomenergie privilegiere, aktuelle Fragen zur Sicherheit, Stilllegung und Entsorgung nicht behandle und darüber hinaus "dem Mehrheitswillen der Bevölkerung in Deutschland, Österreich und vielen weiteren Mitgliedsstaaten" widerspreche.[17] Ein Jahr später, am 9. Februar 2012, lehnte der Petitionsausschuss des Deutschen Bundestages diese Petition ab und stellte in der Begründung positive Aspekte von EURATOM wie die Regelung von "Kontroll- und Sicherheitsmaßnahmen" heraus. Der Petitionsausschuss kritisierte, dass der EURATOM-Vertrag "in Teilen der Öffentlichkeit fälschlicherweise als einseitiges Instrument zur Förderung der Kernenergie in der Europäischen Union angesehen" werde. Außerdem wurde auf die Förderung erneuerbarer Energien durch den Europäischen Rat hingewiesen.[18]

Bündnis 90/Grüne forderten im November 2011 eine Revision des EURATOM-Vertrags bzw. eine Kündigung durch Deutschland, und die SPD im März 2012 Änderungen am EURATOM-Vertrag. Bei beiden Anträgen wurde die Abschaffung der "Sonderstellung" der Kernenergie gefordert. In einer Anhörung im Juni 2012 wurden von Sachverständigen weitere Bedenken gegen den EURATOM-Vertrag vorgebracht.[19]

Als Gegenposition wurde folgende Begründung durch einen Rechtsanwalt und Notar der Kanzlei Kümmerlein herangezogen: "Für eine grundlegende Überarbeitung des EAGV oder gar für eine Kündigung des EAGV bestehe daher, auch vor dem Hintergrund der in der Bundesrepublik Deutschland getroffenen Entscheidung zum Ausstieg aus der Kernenergie, keine Notwendigkeit."[20]

  • "Vertragsänderungen, die sich auf Ziele und Strukturen des EAGV auswirken und außerhalb der Vertragsabrundungskompetenz liegen, sind nur in einem ordentlichen Vertragsänderungsverfahren gem. Art. 48 Abs. 2-5 des Vertrages über die Europäische Union (EUV) mit anschließender Ratifizierung in allen Mitgliedsstaaten durchzuführen.
  • Eine einseitige Kündigung des EAGV durch einen Mitgliedsstaat ist europarechtlich zulässig, erfordert jedoch gravierende Veränderungen im Hinblick auf die strukturelle, organisatorische und finanzielle Verzahnung zwischen EURATOM-Gemeinschaft und EU. (...)"[21]

Dem wird Folgendes entgegengehalten: "Das Prozedere für einen Austritt Deutschlands aus EURATOM sei mit dem Vertrag von Lissabon in dessen Artikeln 106a und 50 bereits geregelt, so dass in Zukunft jeder Mitgliedsstaat EURATOM verlassen könne. Behauptungen, ein Austritt eines Mitgliedsstaates sei gleichzeitig mit einem Austritt aus der EU verbunden, seien deshalb nicht zutreffend."[22] → eur-lex.europa.eu: Vertrag von Lissabon

→ Zu den Anträgen und deren Ablehnung siehe auch folgendes Dokument des Deutschen Bundestags: Drucksache 17/11713 - Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Wirtschaft und Technologie (9. Ausschuss) vom 28. November 2012

Grundsätzlich scheint die Bundesregierung davor zurückzuschrecken, internationale Verträge im Bereich der Atomenergie zu kündigen. Dies gilt nicht nur für EURATOM, sondern auch für den Vertrag von Almelo, der dem Unternehmen Urenco und damit der Urananreicherungsanlage von Gronau zugrundeliegt. → AtomkraftwerkePlag: Atomfabriken in Deutschland

Die Ablehnung einer Kündigung oder Revision des EURATOM-Vertrags durch die Bundesregierung und die Weigerung, den Atomausstieg ins Grundgesetz aufzunehmen, lassen aber auch den Verdacht aufkommen, dass man sich Hintertüren offenhält, um bei günstiger Gelegenheit den Atomausstieg rückgängig zu machen. → AtomkraftwerkePlag: Unumkehrbar oder doch nicht?

Österreich und Schweiz

Auch in Österreich ist im Juli 2012 ein Ende der Mitgliedschaft des Landes bei EURATOM gefordert und durch eine Bürgerinitiative eine entsprechende Petition an das Parlament gerichtet worden.[23]

Die Schweiz kooperiert mit EURATOM bereits seit fünf Jahrzehnten in der Atomforschung. Der Kooperationsvertrag wurde im Dezember 2012 verlängert. Die Forschung umfasst die Bereiche Kernfusion, Atomspaltung und Sicherheit.[24]

Studie zur Atomenergie und Gesellschaft

Im Februar 2017 wurde im Rahmen der von EURATOM finanzierten "History of Nuclear Energy and Society" (HONEST) eine Studie zur Atomenergie in Deutschland veröffentlicht, in der auch AtomkraftwerkePlag als Quelle und Sekundärliteratur verwendet wurde.[25]

(Letzte Änderung: 03.04.2024)

Einzelnachweise

  1. eur-lex.europa.eu: Konsolidierte Fassung des Vertrags zur Gründung der Europäischen Atomgemeinschaft vom 30. März 2010
  2. bmu.de: Europäische Atomgemeinschaft (Euratom) / Europäische Union abgerufen am 4. Oktober 2015 (via WayBack)
  3. Handelsblatt: Keine Stärkung der Kernindustrie - EU-Kommission erwägt Reform des Euratom-Vertrags vom 14. Januar 2014
  4. Budapester Zeitung: Kooperation statt Energiewende vom 27. Juli 2013 (via WayBack)
  5. heise online: Geheimstufe rot vom 17. Januar 2013
  6. BUND: Der EURATOM-Vertrag abgerufen am 14. Oktober 2012 (via WayBack)
  7. Naturfreunde: Naturfreunde gegen EURATOM abgerufen am 13. Dezember 2023
  8. contratom: Der Euratom-Vertrag im Jahre 2011 vom 7. Dezember 2011
  9. Bundestag: Antwort der Bundesregierung auf eine Große Anfrage (Drucksache 8/570, S. 19) vom 8. Juni 1977
  10. Bundestag: Unterrichtung durch die Bundesregierung (Drucksache 8/1619, S.11) abgerufen am 15. Dezember 2023
  11. Bundestag: Beschlußempfehlung und Bericht des Haushaltsausschusses (Drucksache 10/3372) vom 21. Mai 1985
  12. eur-law.eu: 77/271/Euratom: Beschluß des Rates vom 29. März 1977 und 94/179/Euratom: Beschluß des Rates vom 21. März 1994 zur Änderung des Beschlusses 77/270/Euratom abgerufen am 15. Dezember 2023
  13. ec.europa.eu: Kommission verlängert Forschung zu nuklearer Sicherheit vom 7. März 2011 (via WayBack)
  14. europa.eu: Kommission will Euratom-Budget entsprechend dem Siebten Forschungsrahmenprogramm der EU bis 2013 verlängern vom 7. März 2011
  15. Deutscher Bundestag: Inanspruchnahme von Geldern aus EU- und EURATOM-Rahmenprogrammen durch deutsche Forschungseinrichtungen (Drucksache 17/13013) vom 10. April 2013
  16. BUND: EU-Kommission lehnt europäische Bürgerinitiative gegen Atomkraft ab. Initiatoren kündigen rechtliche Schritte an vom 1. Juni 2012 (via WayBack)
  17. Deutscher Bundestag Petition: Nukleare Ver- und Entsorgung - Ausstieg aus dem EURATOM-Vertrag vom 28.02.2011 (via WayBack)
  18. Deutscher Bundestag Nukleare Ver- und Entsorgung - Begründung vom 9. Februar 2012 (via WayBack)
  19. Deutscher Bundestag: Sachverständige sehen Euratom-Vertrag kritisch - Ausschuss für Wirtschaft und Technologie (Anhörung) - 11.06.2012 vom 11. Juni 2012 (via WayBack)
  20. Deutscher Bundestag: Drucksache 17/11713 vom 28. November 2012
  21. kuemmerlein.de: Stellungnahme für die Anhörung am 11.06.2012 zu den Anträgen auf Änderung des EURATOM-Vertrages (EAGV) bzw. zum Austritt hieraus vom 11. Juni 2012 (via WayBack)
  22. heise.de: Deutschland soll aus Euratom-Vertrag aussteigen vom 11. Juni 2012
  23. Republik Österreich - Parlament: "Weitere Mitgliedschaft Österreichs bei EURATOM" abgerufen am 15. Dezember 2023
  24. nuklearforum.ch: Bundesrat verlängert Forschungskooperation mit Euratom vom 4. Dezember 2012
  25. honest2020.eu: WP2 - Republic of Germany - Short Country Report vom Februar 2017 (via WayBack)
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