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Die Lobbyisten > Großmann, Jürgen

Ananas in Alaska

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Jürgen R. Großmann

"Photovoltaik in Deutschland macht ökonomisch so viel Sinn wie Ananaszüchten in Alaska." (Jürgen Großmann auf der Handelsblatt-Tagung am 18. Januar 2012)[1]

Dieser Spruch des Unternehmers Jürgen Großmann kam nicht von ungefähr. Er knüpfte damit wohl an einen Satz von Franz Josef Strauß an, der erklärt hatte: "Was mich angeht, so würde ich lieber Ananas in Alaska züchten als Bundeskanzler sein."[2] Wie Großmann war auch Strauß ein großer Anhänger der Atomkraft gewesen. → AtomkraftwerkePlag: Atompolitik

Jürgen Großmann war zunächst bei den Klöckner-Werken und der Georgsmarienhütte in der Stahlindustrie beschäftigt, bevor er am 1. Oktober 2007 zum Vorstandsvorsitzenden von RWE berufen wurde. Dieses Amt übte er bis zum 30. Juni 2012 aus und wurde danach von Peter Terium abgelöst.[3]

Großmanns Name ist vor allem verbunden mit der Aufkündigung des "Atomkonsenses" zwischen der Bundesregierung unter Gerhard Schröder und den Atomkonzernen, der Durchsetzung der Laufzeitverlängerung für Atomkraftwerke und deren Stopp nach der Fukushima-Katastrophe.

Der "Dinosaurier" setzt die Laufzeitverlängerung durch

Im Oktober 2009 brachte Großmann Laufzeitverlängerungen für Atomkraftwerke ins Gespräch, mit dem Argument, dass in anderen Ländern 60 Jahre Laufzeit üblich seien, in Amerika sogar 80 Jahre diskutiert würden.[4]

Im Januar 2010 gab Großmann dem "Deutschlandradio" ein Interview, in dem er die dringende Notwendigkeit betonte, die deutschen Atomkraftwerke über den Atomkonsens hinaus weiter zu betreiben: Es drohe sonst ein Stromengpass. Diesen könnten nur die deutschen AKW, welche alle sicher seien, verhindern. Man sollte sich an den "normalen" internationalen Laufzeiten von 50 bis 60 Jahren orientieren. Der daraus resultierende Profit solle eine "neue Energielandschaft" finanzieren.[5] Im Falle einer Laufzeitverlängerung, so Großmann, würde man den Bund an Mehrerlösen beteiligen.[6]

Wie im Artikel "Der letzte Saurier" in der "Zeit" berichtet wurde, scheint sich Großmann die Anzeigenkampagne "Energiepolitischer Appell" ausgedacht zu haben, in der 40 Manager im August 2010 den Atomausstieg in Frage stellten und eine Laufzeitverlängerung forderten. Er soll im Sommer 2010 zwölf Stunden täglich telefoniert haben, um Freunde aus Politik und Wirtschaft dafür zu gewinnen, bis er wegen Herzproblemen ins Krankenhaus eingeliefert wurde.[7] → AtomkraftwerkePlag: Laufzeitverlängerung 2010

Großmann und die Chefs der drei anderen Atomkonzerne hatten schließlich Erfolg: Angela Merkel ließ sich überzeugen und schloss eine Vereinbarung, die deutschen Atomkraftwerke zwischen acht und 14 Jahre länger laufen zu lassen. → AtomkraftwerkePlag: Ausstieg aus dem Ausstieg

Am 29. Dezember 2010 zeichnete der NABU Jürgen Großmann mit dem Preis "Dinosaurier des Jahres" aus, da er durch Lobbyarbeit und Beeinflussung der Bundesregierung maßgeblich zur Laufzeitverlängerung beigetragen hatte. Großmann war nach Harry Roels der zweite RWE-Vorstandsvorsitzende, der diesen Preis erhielt.[8] Er holte den Preis persönlich ab und wies darauf hin, dass die Dinosaurier die Erde 165 Mio. Jahre lang beherrschten. In Anspielung auf diesen Spruch prophezeite im Mai 2011 Umweltminister Röttgen, dass Unternehmen, die den Atomausstieg nicht unterstützen, das Schicksal der Dinosaurier teilen und ebenfalls aussterben würden.[9]

Ausstiegsbeschluss 2011: Großmann zieht alle Register

Der Triumph über die Laufzeitverlängerung währte nur kurz. Der Stopp der Laufzeitverlängerung und der neue Ausstiegsbeschluss durch die Bundesregierung nach Fukushima waren für Großmann auch eine persönliche Niederlage.[7]

Großmann protestierte lautstark. Im Mai 2011 warnte er vor einem deutschen Atomausstieg im Alleingang und vor einer "Ökodiktatur".[10]

In Briefen vom 27. Mai 2011 an den damaligen Kanzleramtschef Pofalla und am 5. Juni 2011 an Bundeskanzlerin Merkel versuchte er, die Regierung von der Notwendigkeit seiner Atomkraftwerke für die Stromversorgung zu überzeugen. [11]

Im Juni 2011 mahnte er, aufgrund des Atomausstiegs stünde Deutschland eine "schleichende Deindustrialisierung" bevor: "Wenn die Politik weiter so konsequent die Zerstückelung der industriellen Energieerzeugung betreibt, werden wir bald auf ganze Industriezweige verzichten müssen. Konzerne wie BASF oder ThyssenKrupp wird es dann hier nicht mehr geben (…)." Die großen Energiekonzerne könnten "Opfer feindlicher Übernahmen" werden.[12] Großmann fühlte sich wegen der früheren Abschaltung des Blocks Gundremmingen B benachteiligt und forderte, wie beim baugleichen Block C den Betrieb bis 2021 fortzusetzen.[13]

Im Juli 2011 warnte Großmann vor einem Blackout im folgenden Winter. Möglicherweise müssten große Regionen in Süddeutschland, z. B. um Stuttgart, dunkel geschaltet werden, damit nicht in ganz Deutschland der Strom ausgehe.[14] Großmanns Warnung stellte sich als Panikmache heraus – wegen der Abschaltung von Reaktoren hat es nie Stromausfälle gegeben.

Großmann konnte den Atomausstieg nicht verhindern, ließ aber 2012 Verfassungsklage gegen den Atomausstieg einreichen und forderte Schadenersatz.[15] Noch kurz vor seinem Amtsende zeigte er sich als Gegner des Atomausstiegs, den er für nicht rechtens ansah.[16]

Weitere Quellen

→ contrAtom: Jürgen Großmann: Ein Atom-Saurier geht – endlich vom 27. Dezember 2011 (via WayBack, mit einer Sammlung von Sprüchen Großmanns)
→ AtomkraftwerkePlag: RWE

(Letzte Änderung: 20.08.2023)

Einzelnachweise

  1. DeutschlandWoche: RWE-Chef Dr. Jürgen Großmann: "Photovoltaik in Deutschland macht ökonomisch so viel Sinn wie Ananaszüchten in Alaska" vom 18. Januar 2012 (via WayBack)
  2. flensburg-online.de: Zitate & Sprüche von Franz Josef Strauß vom September 2005 (via WayBack)
  3. Wikipedia: Jürgen Großmann (Manager) abgerufen am 20. August 2023
  4. xtranews: Rheinische Post: RWE-Chef Jürgen Großmann regt 60 Jahre Laufzeit für Atomkraftwerke an vom 31. Oktober 2009
  5. dradio.de: "Die Stromlücke ist Realität" vom 28. Januar 2010
  6. RuhrNachrichten: RWE sagt Bund Gewinnanteil zu vom 22. April 2010 [Seite nicht mehr verfügbar]
  7. 7,0 7,1 Zeit Online: Der letzte Saurier vom 14. Juli 2011
  8. NABU: Atomboss wird "Dinosaurier des Jahres 2010" - NABU vergibt Negativpreis an RWE-Chef Jürgen Großmann vom 29. Dezember 2010
  9. Zeit Online: Der letzte Dinosaurier vom 27. Mai 2011
  10. Spiegel Online: Atomausstieg: RWE-Boss warnt Merkel vor Ökodiktatur vom 25. Mai 2011
  11. FR Online: Wie RWE die Politik unter Druck setzte vom 3. Februar 2015 (via WayBack)
  12. Focus Online: Atomausstieg: RWE-Chef warnt vor Deindustrialisierung vom 10. Juni 2011 [Datum nachträglich von Focus geändert]
  13. Augsburger Allgemeine: RWE wehrt sich - Energiekonzern will Gundremmingen B bis 2021 am Netz halten vom 7. Juni 2011
  14. merkur-online.de: RWE-Chef: Im Winter droht Netz-Ausfall vom 8. Juli 2011
  15. RP Online: Schadenersatz gefordert - RWE klagt gegen Atomgesetz vom 19. April 2012
  16. HAZ: RWE-Chef poltert zum Abschied gegen Atomausstieg vom 20. April 2012 (via WayBack)
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