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Reaktoren außer Betrieb > Neckarwestheim I (Baden-Württemberg)

Druckwasserreaktor • Leistung: 840 MW • Typ: PWR • Hersteller: Siemens/KWU •
Baubeginn: 1. Februar 1972 • Inbetriebnahme: 26. Mai 1976 • Abschaltung: 6. August 2011 •[1][2]
Beginn Rückbau: 2017 • Ende Rückbau: offen


Abschaltung nach 35 Jahren Betrieb

GKN 1&2

AKW Neckarwestheim

Der abgeschaltete Druckwasserreaktor Neckarwestheim I (GKN-1) liegt direkt am Neckar, 10 km südlich von Heilbronn, und wird von der EnBW-Tochter EnBW Kernkraft GmbH (EnKK) betrieben. Eigentümer sind mit 98.45 % Anteilen die EnBW und mit 1.55 % vier weitere Unternehmen.[1][3] Am gleichen Standort befindet sich der aktive Druckwasserreaktor Neckarwestheim II.

Neckarwestheim I besaß 840 MW Leistung, war am 26. Mai 1976 in Betrieb genommen worden und wurde am 6. August 2011 (offizieller Termin wegen der Änderung des Atomgesetzes) abgeschaltet.[1] Hersteller waren Siemens/Kraftwerk Union (KWU).[2] Seit Inbetriebnahme wurden laut Bundesamt für Strahlenschutz 443 meldepflichtige Ereignisse registriert. Neckarwestheim I belegt damit Platz 3 in der Pannenstatistik der stillgelegten Reaktoren hinter Brunsbüttel und Biblis B (Stand: 2. August 2015).[4]

1997 ereignete sich ein Vorfall, der ein schlechtes Licht auf die Sicherheitskultur in deutschen Atomkraftwerken warf. Der Reaktor wurde mit viel zu geringem Wasserstand wiederangefahren, und dieser erst 16 Stunden später wieder aufgefüllt. Trotz einer Diskussion mit dem TÜV wurde der Vorfall nicht gemeldet, später aber doch bekannt. Dabei stellte sich heraus, dass Jahre lang gegen die Betriebsvorschriften verstoßen worden war.[5] Am 11. Oktober 2005 musste der Reaktor nach einem kleinen Brand manuell abgeschaltet werden.[6] Im Mai 2000 versagte die Schnellabschaltung, weil zehn Jahre zuvor eine nicht ausgereifte neue digitale Leittechnik installiert worden war.[7]

Geologen weisen schon seit vielen Jahren darauf hin, dass die Reaktoren im Rheingraben, Neckarwestheim, Philippsburg und Biblis nur auf Erdbeben mit der Stärke 4,5 bis 5,5 auf der Richterskala ausgelegt sind. Im Rheingraben wurden aber im Jahre 1356 bereits Stärken von 6,5 bis 6,7 erreicht, 1775/56 von 6,1. Solche Erdbeben könnten sich jederzeit wieder ereignen.[8]

Erste Maßnahmen zum Rückbau

Neckarwestheim I ist der erste der 2011 abgeschalteten Reaktoren, bei dem mit dem Abbau von Anlagen begonnen wurde (Sommer 2012): Die Kühler, die sich außerhalb der nuklearen Kreisläufe befanden und nicht unter die Regelungen des Atomgesetzes fielen, wurden abgerissen.[9] Zum Abriss der Kühltürme Ende Juni 2012 vgl. folgendes Video: Welt Online: Kühltürme des AKW Neckarwestheim werden demontiert vom 28. Juni 2012.

Am 2. August 2012 gab der Konzern EnBW in einer Pressemitteilung bekannt, dass er sich für den direkten Rückbau der Atomkraftwerke Neckarwestheim und Philippsburg entschieden hat. "Sowohl sicherheitstechnische als auch ökonomische Aspekte sprechen aus unserer Sicht für den unmittelbaren Rückbau und damit gegen den sogenannten sicheren Einschluss." Für die Erstellung der Genehmigungsanträge für Neckarwestheim I und Philippsburg I rechnete EnBW zwei Jahre; in den kommenden Jahren sollen auch entsprechende Unterlagen für Neckarwestheim II und Philippsburg II erarbeitet werden, die 2022 bzw. 2019 vom Netz gehen sollen. Die Kosten für den Rückbau seien durch Rückstellungen gedeckt.[10]

Im November 2012 wurde der Abbau der Kühltürme abgeschlossen. "Seit dem Projektstart sind 1.900 Tonnen Altholz, 230 Tonnen Kunststoffe und 550 Tonnen Stahl abtransportiert, entsorgt und - wo möglich – dem Wertstoffkreislauf wieder zugeführt worden. Die Materialien verließen das Kraftwerksgelände zum großen Teil per Schiff – vier Schiffstransporte waren dazu erforderlich. Nach der Demontage der Kühlturmaufbauten wurde in den letzten Wochen der Beton von den sogenannten Kühlturmtassen herausgemeißelt."[11]

Mit dem regulären Rückbau der abgeschalteten Reaktoren Neckarwestheim I und Philippsburg I kann nach Einschätzung von EnBW frühestens ab 2017 begonnen werden. "Neckarwestheim (GKN I) und Philippsburg (KKP 1) sind im "Nachbetrieb". Nicht mehr benötigte Systeme werden außer Betrieb genommen und Komponenten dekontaminiert. (…) Die hochradioaktiven Brennelemente werden nach früheren EnBW-Angaben zunächst in Castoren zwischengelagert, bevor sie irgendwann in ein Endlager kommen. Für den Rückbau seiner Atommeiler hat der drittgrößte deutsche Stromkonzern knapp 6,6 Milliarden Euro zurückgestellt." Der BUND wirft EnBW mangelnde Transparenz beim Ablauf des Rückbaus und der Planung von Zwischenlagern vor.[12]

Im Mai 2013 reichte EnBW Anträge für die offizielle Stilllegung der AKW Neckarwestheim I und Philippsburg I sowie für Rückbaumaßnahmen beim Umweltministerium in Stuttgart ein. Für den Zeitraum des Rückbaus plant der Konzern die Einrichtung temporärer Zwischenlager für schwach- und mittelradioaktiven Abfall an den Standorten.[13]

Die Bürgerinitiative "Arbeitsgemeinschaft Atomerbe Neckarwestheim" befürchtet, dass beim Rückbau zu viel Radioaktivität freigesetzt werde. Sie fordert mehr Transparenz und ein Stopp des Rückbaus, bis alle "Anlagenteile auf Strahlung untersucht und katalogisiert wurden". Die BI möchte dies bundesweit zur Sprache bringen.[14]

Im Juni 2014 stellte EnBW weitere Anträge zum Rückbau: "Geplant sind mehrere Gebäude für die Bearbeitung von Abbruchmaterial und die Lagerung von radioaktiven Abfällen. In Neckarwestheim sollen auch radioaktiv belastete Großanlagen aus dem Atomkraftwerk Philippsburg zerlegt und vorübergehend aufbewahrt werden." Die Gemeinde Neckarwestheim hat Widerstand angekündigt.[15]

Am 3. Februar 2017 erteilte das baden-württembergische Umweltministerium eine erste Genemigung zum schrittweisen Rückbau von Neckarwestheim I; die Arbeit sollen im März 2017 starten und zehn bis 15 Jahre dauern.[16]

Weitere Links

→ EnBW: Kernkraft (Informationen des Betreibers)
→ AtomkraftwerkePlag: Neckarwestheim II (Baden-Württemberg)
Arbeitsgemeinschaft AtomErbe Neckarwestheim (Bündnis von Bürgerinitiativen)
AG AtomErbe Neckarwestheim (Homepage)


(Letzte Änderung: 07.02.2017)

Einzelnachweise

  1. 1,0 1,1 1,2 IAEO: PRIS - Country Statistics/Germany abgerufen am 27. Mai 2014
  2. 2,0 2,1 IAEO: LES CENTRALES NUCLEAIRES DANS LE MONDE von 1997
  3. EnBW: Kernkraft abgerufen am 23. Juli 2014
  4. BfS: Kernkraftwerke in Deutschland: Meldepflichtige Ereignisse seit Inbetriebnahme abgerufen am 2. August 2015
  5. Sascha Adamek: Die Atomlüge. Heyne, München 2011, S. 58.
  6. Hamburger Abendblatt: Fünf Störfälle durch Brände in Kernkraftwerken vom 30. Juni 2007
  7. Südwest Presse: Leiharbeit und ihre Sicherheitsfolgen vom 7. Juni 2011
  8. Sascha Adamek: Die Atomlüge. Heyne, München 2011, S. 49.
  9. strommagazin: EnBW macht Atomausstieg sichtbar vom 28. Juni 2012
  10. pressrelations.de: Rückbaustrategie verabschiedet: EnKK stellt Weichen für direkten Rückbau ihrer Kernkraftwerke vom 2. August 2012
  11. stimme.de GKN-Kühltürme komplett demontiert vom 19. November 2012
  12. Reutlinger General-Anzeiger: Atommeiler werden frühestens ab 2017 abgerissen vom 23. November 2012
  13. Focus Online: EnBW gibt Startschuss für Abriss von abgeschalteten Atommeilern vom 6. Mai 2013
  14. taz.de.: Bürgerinitiative kritisiert Reaktor-Abbau - Abriss in radioaktiver Grauzone? vom 3. Februar 2014
  15. SWR: EnBW stellt Antrag auf Abfalllager in Neckarwestheim vom 14. Juni 2014 [Seite nicht mehr verfügbar]
  16. Stuttgarter Zeitung: Atommeiler Neckarwestheim Block 1 darf abgebaut werden vom 3. Februar 2017
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