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GAU in Deutschland: Was wäre, wenn ...? > Staatliche Kommissionen und Institutionen

Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (BBK)

2008 wurde vom BBK ein Leitfaden veröffentlicht, der Verantwortliche unterrichtet, wie die Öffentlichkeit über Strahlenrisiken informiert und eine Krisenkommunikation bei Unfällen durchgeführt werden sollten. Es wurden Verhaltensregeln bei drei Szenarien beschrieben: Transportunfall mit radioaktiven Stoffen, eine schmutzige Bombe und eine Atombombe. Ein "ziviler" GAU fand jedoch keine Erwähnung.[1]

Anlässlich der Fukushima-Katastrophe erklärte der Präsident des Bundesamtes für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (BBK), Christoph Unger 2013, dass der Katastrophenschutz in Deutschland in seinen Planungen nie von einer Katastrophe im Ausmaß von Fukushima ausgegangen sei. So wäre eine Evakuierung von Teilbereichen möglich, nicht aber eines größeren Bereichs, wie z. B. einer Großstadt. Die Planungen sollten in Zusammenarbeit mit der Strahlenschutzkommission (SSK) überdacht werden.[2]

→ BBK: Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (Homepage)

Bundesamt für Strahlenschutz (BfS)

2012 erstellte das Bundesamt für Strahlenschutz (BfS) eine Studie über mögliche Atomunfälle in Deutschland. Daraus geht hervor, dass eine Katastrophe vom Ausmaß Fukushimas in Deutschland den Katastrophenschutz überfordern würde, weil die Notfallpläne unzureichend seien und es keine Evakuierungspläne gebe. "Die mit radioaktiven Stoffen verseuchten Flächen wären weitaus größer als bislang angenommen, ganze Städte müssten evakuiert werden."[3]

Schutzkommission beim Bundesministerium des Innern

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Einsatzwagen mit internationalem Zivilschutzzeichen[4]

Die Schutzkommission gab im Februar 2014 eine Stellungnahme heraus, in der sie zum Ergebnis kommt, dass alle Planungen des Katastrophenschutzes bislang auf einer kurzzeitigen Freisetzung radioaktiver Substanzen mit langer Vorwarnzeit beruhten, nicht aber einer schnellen Freisetzung über einen langen Zeitraum, wie in Fukushima geschehen.

Deswegen müsse eine "Überprüfung der bisherigen Planungsgrundlagen für Notfallschutzmaßnahmen in Deutschland erfolgen". In folgenden Bereichen müssten grundlegende Verbesserungen erreicht werden:

  1. "Sichere Verbindung von anlageninternem zu anlagenexternem Notfallschutz
  2. Umfassende Erstellung der radiologischen Lage über Ländergrenzen hinweg
  3. Medizinische Versorgung und Nachsorge
  4. Langfristiges Krisenmanagement"

Bei Punkt 4 müsste auch eine Planung von "großräumigen und lang andauernden Evakuierungsmaßnahmen" erfolgen.[5]

Schutzkommission beim Bundesministerium des Innern (Homepage)

Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit

Auf der Internetpräsenz jodblockade.de des Bundesumweltministeriums werden Informationen zur Einnahme von Jodtabletten als Schutzmaßnahme, zum Verhalten im Notfall und weiteren Themen, wie z. B. Radioaktivität und Notfallschutz, bereitgestellt. Es wird erklärt, dass der Notfallschutz Zuständigkeit der Länder ist. Des weiteren sind Standorte verzeichnet, "für deren Umgebung die Katastrophenschutzbehörden Maßnahmen zur Jodblockade vorsehen". Dazu gehören Atomkraftwerke in Deutschland und auch grenznahe AKW im benachbarten Ausland.[6]

Strahlenschutzkommission (SSK)

2013

Im November 2013 forderte die Strahlenschutzkommission (SSK), rund um die Standorte von Atomkraftwerken 20 km große Schutzzonen sicherzustellen. Die sogenannte "Zentralzone" um Atomkraftwerke sollte von zwei auf fünf Kilometer erweitert werden und müsste bei einer Katastrophe innerhalb von sechs Stunden geräumt werden können. "Außerdem sollen Jodtabletten für Kinder, Jugendliche und Schwangere für das gesamte Bundesgebiet vorgehalten werden, bisher gilt das nur im 100-Kilometer-Umkreis."[7]

Die Landratsämter sahen drei Zonen von zwei, zehn und 25 km um die Anlagen vor. Das Bundesamt für Strahlenschutz (BfS) wies darauf hin, dass ein Radius von 25 km nicht ausreichen dürfte. Die Strahlenschutzkommission (SSK) sollte 2014 neue Vorgaben erarbeiten.[8]

Die betroffenen Landkreise müssten nun neue Katastrophenschutzpläne erstellen. "Auch eine mögliche Rückkehr in die alten Wohngebiete soll nach dem Austritt von Radioaktivität eingeschränkt werden. Künftig soll ab einer jährlichen Strahlendosis von 50 Millisievert die langfristige Umsiedelung ohne Rückkehr durchgesetzt werden, bisher lag der Grenzwert bei 100 Millisievert. In Japan liegen die Werte bei 20 Millisievert. Die Strahlenschutzkommission nähert sich also den japanischen Grenzwerten an und zieht erste Konsequenzen aus den Erfahrungen, die in der Region Fukushima gemacht wurden."[9]

2014

Im Februar 2014 veröffentlichte die Strahlenschutzkommission (SSK) eine Stellungnahme, in der sie wegen neuer Erkenntnisse aus der Reaktorkatastrophe von Fukushima eine "Änderung der Planungsgebiete für den Notfallschutz in der Umgebung von Kernkraftwerken" empfiehlt. Das SSK schlägt darin die Festlegung von vier Planungszonen vor: Zentralzone (Umkreis von 5 km, bisher 2 km), Mittelzone (20 km, bisher 10 km), Außenzone (100 km, bisher 25 km), gesamtes Staatsgebiet der Bundesrepublik Deutschland (bisher 100 km). Alle Unterlagen zum deutschen nuklearen Unfallschutz müssten einer besonderen Überprüfung unterzogen werden. Die Notfallplanungen müssten international harmonisiert werden.[10]

→ SSK: Planungsgebiete für den Notfallschutz in der Umgebung von Kernkraftwerken vom Februar 2014
→ Jan Pauly, E.ON: Widersprüche oder gar Willkür im nuklearen Katastrophenschutz? vom Mai 2014 (Stellungnahme der Atomlobby auf der Website von Kerntechnik Deutschland e. V. (KernD)/Deutsches Atomforum (DAtF))
→ AtomkraftwerkePlag: Strahlenschutzkommission (SSK)

(Letzte Änderung: 16.06.2023)

Einzelnachweise

  1. preparecenter.org: Information der Öffentlichkeit über Strahlenrisiken - Krisenkommunikation für Verantwortliche im Katastrophenschutz vom Oktober 2008
  2. Deutschlandradio Kultur "Bevölkerungsschutz muss sich anpassen" vom 2. August 2013
  3. Spiegel Online: Atomkatastrophe würde Deutschlands Helfer überfordern vom 17. März 2012 (via WayBack)
  4. Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe Das Zivilschutzzeichen abgerufen am 31. Mai 2014 (via WayBack)
  5. schutzkommission.de: Stellungnahme der Schutzkommission zur Umsetzung der Erfahrungen aus Fukushima für die Planung von Notfallschutzmaßnahmen in Deutschland vom Februar 2014
  6. jodblockade.de: Einnahme von Jodtabletten - Kernkraftwerke in Deutschland und im nahegelegenen Ausland vom 14. März 2022
  7. FR Online: AKW Schutzzone - Mehr Menschen gefährdet vom 5. November 2013 (via WayBack)
  8. Der Tagesspiegel: Nach der Atomkatastrophe in Fukushima - Zonen mit beschränktem Nutzen vom 4. Dezember 2013 (via WayBack)
  9. heise.de: Ausweitung der Evakuierungszonen um alle AKWs vom 5. November 2013
  10. SSK: Planungsgebiete für den Notfallschutz in der Umgebung von Kernkraftwerken - Empfehlung der Strahlenschutzkommission verabschiedet in der 268. Sitzung der Strahlenschutzkommission am 13./14. Februar 2014
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