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Atomenergie in Europa > Belgien > Tihange (Belgien)
Grenznahe Atomkraftwerke > Tihange (Belgien)

3 Druckwasserreaktoren • Leistung: 1.009 MW/1.055 MW/1.089 MW
Typ: Framatome 3 loops/W (3-loop)/W (3-loop) • Hersteller: Konsortium •
Baubeginn: 1970/1976/1978 • Inbetriebnahme: 1975/1982/1985 • [1][2] Abschaltung: 2025


Altreaktor Tihange-1 darf bis 2025 weiterlaufen

Tihange - nuclear power plant

AKW Tihange (Belgien)

Das Atomkraftwerk Tihange liegt im Osten Belgiens, südöstlich der Stadt Liège.[3] Es ist nur 64 Kilometer von Aachen entfernt.[4]

Wie Doel wird auch das Atomkraftwerk Tihange vom Unternehmen Electrabel betrieben; Eigentümer ist die Société belgo-française d'énergie nucléaire mosane. Der ältere Reaktor Tihange-1 mit einer Leistung von 1.009 MW ist bereits seit 1975 in Betrieb, die Reaktoren Tihange-2 mit 1.056 und Tihange-3 mit 1.089 MW laufen seit 1982 bzw. 1985.[1]

Hersteller von Tihange-1 waren ACEC, COCKERILL und Framatome (heute AREVA), von Tihange-2 Framatome, ACEC und COCKERILL und von Tihange-3 ACEC, COCKERILL und Westinghouse.[2]

Im EU-Stresstest schnitt das AKW Tihange wegen fehlenden Hochwasserschutzes besonders schlecht ab.[5]

Am 4. Juli 2012 entschied die belgische Regierung, dass Tihange 1 bis 2025 weiterbetreiben werden soll, also 10 Jahre länger als ursprünglich geplant, um Stromengpässe zu vermeiden.[6]

Die längere Betriebsdauer stellt eine große Gefahr dar, da das 37 Jahre alte Atomkraftwerk für Störfälle bekannt ist und es keinen Katastrophenschutz bei größeren Unfällen gibt.[7]

Störfälle

Am 18. Juni 1988 wurde ein Leck im Notkühlsystem des Reaktorkerns entdeckt.[8]

Der gefährlichste Störfall, klassifiziert mit der INES-Stufe 2, ereignete sich 2002: Aufgrund eines versehentlich geöffneten Ventils kam es im AKW Tihange zu einem Druckabfall im Primärkreislauf und zum Verdampfen von Kühlwasser. Wenn die Sicherheitssysteme nicht reagiert hätten, hätte daraus eine Kernschmelze resultieren können.[9][10]

2010 liefen 600 Liter Säure aus und verseuchten die Maas.[11] Seit Jahren laufen aus einem Brennelementelager zwei Liter radioaktives Wasser täglich aus; die Ursache dafür wurde bislang nicht gefunden. Das AKW liegt zudem in erdbebengefährdetem Gebiet.[9] Im Februar 2013 wurde auf dem Gelände des AKW Tihange eine Bombe aus dem ersten Weltkrieg entdeckt, woraufhin das Personal des Bürogebäudes evakuiert und die Bombe in einem Steinbruch zur Explosion gebracht wurde.[12]

Am 30. November 2014 schaltete sich Tihange-3 per Notabschaltung automatisch ab, nachdem eine Explosion einen Brand an einem Transformator ausgelöst hatte.[13]

Risse am Reaktorbehälter

Im August 2012 wurden Tausende von Rissen in den Reaktorbehältern der Reaktoren Doel-3 und Tihange-2 festgestellt, woraufhin die Reaktoren vom Netz genommen wurden.[14][9] Nach Informationen vom Januar 2014 sind 8700 Risse im Druckbehälter von Doel 3 und rund 2000 Risse im Druckbehälter von Tihange 2 gezählt worden.[15]

2013 wurden die beiden Reaktoren intensiv getestet. Am 24. Mai 2013 verkündete Jan Bens, der Leiter der föderalen Agentur für Nuklearkontrolle (Fank), die Reaktoren seien zu "101 % sicher", eine Katastrophe sei trotz der Risse ausgeschlossen, wohingegen eine Wiederinbetriebnahme durch viele belgische und internationale Spezialisten als sehr gefährlich angesehen wurde.[16]

Da zusätzliche Tests bei Doel 3 und Tihange 2 nicht so erfolgreich verliefen, wie man sich dies erwartet hatte, wurden beide Reaktoren am 27. März 2014 von Electrabel neuerdings abgeschaltet.[17]

Im August 2014 wurde gemeldet, Doel-3 und Tihange-2 seien so schwer beschädigt, dass sie möglicherweise nie wieder ans Netz gehen werden. Es sei nicht möglich, die Reaktordruckbehälter auszutauschen.[18]

Im Februar 2015 wurde bekannt, dass sich an den Reaktordruckbehältern der Einheiten Doel-3 und Tihange-2 nicht nur 10.000, sondern 16.000 Risse befinden, die wahrscheinlich auf Materialermüdung zurückzuführen sind. Die belgische Atomaufsicht befürchtet ein Problem für die ganze Atombranche weltweit.[19]

Proteste gegen die Wiederinbetriebnahme

Datei:Planet e - Risiko Atomkraft Europas Pannenmeiler

ZDF, planet e veröffentlicht auf YouTube am 24. April 2016

Am 7. Juni 2013 wurde Tihange-2 unter zusätzlichen Auflagen wieder in Betrieb genommen. Die rheinland-westfälische Landesregierung erklärte in einer Kleinen Anfrage, dass sie dies bei Reaktoren "mit ihrem antiquierten technischen Design und den durch jahrzehntelange Nutzung beanspruchten Anlagensystemen" für unverantwortlich halte, und setzte sich mit dem damaligen Bundesumweltminister mit der Bitte in Verbindung, sich für eine "sofortige und dauerhafte Abschaltung“ einzusetzen.[20]

Die Regierung Luxemburgs, die Landesregierungen von Rheinland-Pfalz und dem Saarland, die Regierung der deutschsprachigen Minderheit in Ostbelgien und Umweltschutzorganisationen fordern wegen der Schäden und sonstigen Risiken die sofortige Stilllegung des Atomkraftwerks. Gegen den Weiterbetrieb protestieren grenzüberschreitend Atomkraftgegner aus Belgien und allen Nachbarländern.[9]

Auch bei einer Konferenz in Aachen im Januar 2014, an der das Aktionsbündnis gegen Atomenergie Aachen, renommierte Wissenschaftler und die Fraktion der Grünen/EFA im Europäischen Parlament teilnahmen, stieß die die Entscheidung für die Wiederinbetriebnahme auf Unverständnis.[21] Die französische Atomaufsichtsbehörde riet von einer Wiederinbetriebnahme ab.[22] Das Ziel der Konferenz war die Erstellung eines Berichts, mit dem die FANC, die Regierungen Belgiens und Deutschtands und die EU-Kommission unter Druck gesetzt werden sollten.[15]

Begleitet von Protesten nordrhein-westfälischer Politiker wurde Tihange-2 am 14. Dezember 2015 wieder ans Netz genommen. In Aachen waren deswegen eine Woche zuvor eine Notfallübung durchgeführt und ein GAU simuliert worden.[23]

Am 2. Februar 2016 legte die Städteregion Aachen Klage gegen das AKW Tihange ein. Zudem beteiligte sich die Städteregion an einer Klage von Greenpeace Belgien an Tihange-1. Die Klagen werden von diversen Gemeinden in NRW, Rheinland-Pfalz und den Niederlanden unterstützt.[24]

Weitere Links

→ Electrabel: Homepage des Betreibers
→ WDR: Belgisches Atomkraftwerk in der Kritik vom 6. April 2015 (Video)


(Letzte Änderung: 14.11.2016)

Einzelnachweise

  1. 1,0 1,1 IAEO: PRIS - Country Statistics/Belgium
  2. 2,0 2,1 IAEO: LES CENTRALES NUCLEAIRES DANS LE MONDE von 1997
  3. WNA Reactor Database: Tihange 1, Belgium abgerufen am 9. April 2016
  4. WDR: Atomkraft rund um NRW vom 21. März 2011 (via WayBack)
  5. Spiegel Online: Europäische Atomanlagen: Umweltschützer kritisieren AKW-Stresstest vom 14. Juni 2012
  6. BRF online: Wathelet: Electrabel blufft mit Drohung wegen Tihange vom 5. Juli 2012
  7. volksfreund.de: Neue Sorge ums belgische Atomkraftwerk vom 29. Juli 2012
  8. BOKU: Der „Super-GAU“ als neuer Auslegungsstörfall? vom 8. März 2012
  9. 9,0 9,1 9,2 9,3 zlv.lu: Schon wieder eine Panne im AKW Tihange vom 7. Juni 2013
  10. Deutscher Bundestag: Atomrisiken ernst nehmen – Auch in Bezug auf die nahe liegenden Atomkraftwerke in Belgien (Drucksache 17/13491) vom 15. Mai 2013
  11. RP Online: NRW ist von Atommeilern umgeben vom 11. Januar 2012
  12. BRF: Bombe aus dem Ersten Weltkrieg am Atommeiler Tihange entdeckt vom 27. Februar 2013
  13. Basler Zeitung: Belgischer AKW-Reaktor nach Brand abgeschaltet vom 30. November 2014
  14. derStandard: Belgien: Riss im Reaktorbehälter von AKW vom 9. August 2012
  15. 15,0 15,1 Aachener Zeitung: Gegner von Tihange formieren sich neu vom 24. Januar 2014
  16. grenzecho.net: Kernkraft: Grünes Licht für Doel 3 und Tihange 2 - "Alles wurde getestet und berechnet" vom 24. Mai 2013
  17. n-tv.de: Zwei AKW bestehen Tests nicht - Belgische Pannen-Reaktoren gestoppt vom 27. März 2014
  18. heise.de: Zwei belgische Atommeiler vor der definitiven Abschaltung? vom 20. August 2014
  19. taz.de: Risse in Atomreaktoren Belgien warnt den Rest der Welt vom 17. Februar 2015
  20. Landtag Rheinland-Pfalz: Wiederanfahren der Atomkraftwerke Tihange 2 und Doel 3 (Drucksache 16/2492) vom 25. Juni 2013
  21. deredactie.be: Aachen: Konferenz zu den Meilern Tihange und Doel vom 26. Januar 2014
  22. grenzecho.net: Tihange: Abschalten oder nicht? vom 27. Januar 2014
  23. tagesschau.de: Atomkraftwerk Tihange in Belgien - Umstrittener Reaktor wieder hochgefahren vom 15. Dezember 2015
  24. Westdeutsche Zeitung: Städteregion Aachen beschließt Klage gegen AKW Tihange vom 2. Februar 2016
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